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ÖFFENTLICHE ABWERTUNG VON POLITIKERN – OFFENE RECHTSFRAGEN
Liebe Community,
Aktuelle Urteile haben zur Verunsicherung geführt, was man eigentlich über Politiker in der Öffentlichkeit noch sagen darf. Aus anwaltlicher Sicht ist daher zu einem zurückhaltenden Sprachgebrauch zu raten – ungeachtet dessen, dass die gegenwärtige Entwicklung der Rechtsprechung zu schwerer Besorgnis Anlass gibt.
1. Revisionsgerichtlich ist mittlerweile durch das OLG Hamm geklärt, dass man eine Ministerin des Bundeskabinetts nicht „aufgedunsene Dampfnudel“ schelten darf.
Das führt zu der Frage, ob wenigstens eine vornehmere Ausdrucksweise (etwa: „gasförmiges Wasser sekretierende, volumenexpansive Teigware“) vor Gericht Gnade gefunden hätte. Indes ist auch von solchen Äußerungen abzuraten. Es besteht die Gefahr, dass die Gerichte auch hierin einen Angriff ad personam ohne sachpolitischen Bezug erblicken.
2. Allerdings sind mittlerweile selbst solche Äußerungen mit der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung behaftet, die eindeutig in der Sache eine Ablehnung der Politik der betroffenen Politiker zum Ausdruck bringen – des jedenfalls dann, wenn im gleichen Atemzug auch eine persönliche Abwertung geäußert wird. Gerichtlich für strafbar erklärt wurde die Bezeichnung der Chefin einer Landesregierung als „Märchenerzählerin“, die den Menschen „dummes Zeug“ verkauft. Bemerkenswert ist dabei, dass der Urheber dieser Äußerung die betreffende Politikerin für ihren russlandfreundlichen Kurs kritisierte und damit durchaus auf der Linie der Politik der Bundesregierung lag. Gleichfalls für strafbar erklärt wurde diese Kritik an einer Grünen-Politikerin: „Dummes Gelaber einer total verzogenen Tussi“.
Offen bleibt, ob die Gerichte auch „dummes Zeug“ oder „dummes Gelaber“ für sich gesehen, also ohne die persönlich abwertenden Zusätze, als strafwürdig erachten würden. Wir werden uns indes leider daran gewöhnen müssen, dass Kritik an Politikern etablierter Parteien nur dann straffrei ist, wenn sie auf plakative Attribute („dumm“) verzichtet und stattdessen mit Argumenten unterlegt ist. Das Bundesverfassungsgericht sieht das zwar nach seiner bis heute praktizierten Rechtsprechung anders. Aber bis man sich dorthin mit einer Verfassungsbeschwerde wenden kann, muss der Rechtsweg innerhalb der Strafgerichtsbarkeit ausgeschöpft werden. Und das geht ganz schön ins Geld.
3. Besondere Probleme werden durch satirische Äußerungen aufgeworfen. Das Bildnis einer Grünen-Politikerin, versehen mit der Aufschrift „Früher waren Dick und Doof zwei Personen“, führte nur deshalb nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung, weil der Beschuldigte das Angebot annahm, das Verfahren gemäß § 153a StPO gegen Geldauflage einzustellen. Jemand anders wurde bestraft, weil er über eine Bundesministerin geäußert hatte, sie sei beim Trampolinspringen zu oft gegen die Decke geknallt.
Bissiger Humor ist daher ein Sicherheitsrisiko. Abzuraten ist daher auch von den folgenden Äußerungen – und zwar egal, gegen welche Person des politischen Lebens sie sich richten:
„Politiker/in X hatte Stubenarrest, als der liebe Gott Hirn vom Himmel regnen ließ.“
„Wenn Politiker/in X auf Auslandsreise ist, steigt in Deutschland der durchschnittliche IQ.“
„Ich will gar nicht, dass Politiker/in X zurücktritt. Ich will nur, dass er/sie aufhört zu regieren.“
Die Beispiele potentieller satirischer Äußerungen ließe sich beliebig vermehren. Ich schließe diesen Beitrag mit einem ernsthaften Appell an die Gerichte: Bitte besinnen Sie sich wieder auf die Einsicht, dass jemand, der sich im öffentlichen Meinungskampf exponiert, nicht unter Naturschutz steht. So jemand muss auch derbe Meinungsäußerungen aushalten. Beschimpfungen sind nicht schön, und es ist immer vorzugswürdig, in den Diskurs mit soliden Fakten und schlüssigen Argumenten einzutreten. Die Frage lautet aber, ab wann die Schwelle strafwürdigen Unrechts überschritten ist. In dieser Hinsicht wäre ein deutlich liberalerer Kurs zu wünschen als jener, den die Gerichte aktuell einschlagen.
Herzliche Grüße
Ihr und Euer
Martin Schwab
BY Der Waldgang
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