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https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/plus253573254/Wahl-in-Oesterreich-Demokratie-als-kollektive-Halluzination-Thomas-Glavinic.html


In Österreich wird gewählt. Na und? Über Flüchtlingsquoten, Zinsen und Hassrede entscheidet die EU. Wie konnte es technokratischen Eliten gelingen, 445 Millionen Bürger zu neutralisieren, ohne dass jeden Tag dagegen demonstriert wird? Der Schlüssel liegt im Einsatz des Adjektivs „rechts“.
In Österreich und bald auch in den USA wird gewählt. Zwischen den beiden Wahlgängen liegen vier Wochen, ein Ozean und ein gewaltiger Unterschied in der Bedeutung ihrer Ergebnisse. Der institutionelle Rahmen dieser Ereignisse ist der gleiche: Demokratie.
Niemand weiß, wie wahre Demokratie aussieht, deshalb versteht darunter jeder etwas anderes. Sie ist traditionell Interpretationssache, und ihre Grenzen liegen innerhalb des Ermessensspielraums der lokalen Bevollmächtigten.
Die meiste Zeit bleibt sie symptomfrei. Im Grunde ist sie eine kollektive Halluzination, die sich alle paar Jahre in Form einer Porträtgalerie von Soziopathen im öffentlichen Raum manifestiert. An Steckbriefe erinnernde Wahlplakate zeigen zu absoluter geistiger Leere entschlossene Gesichter uninteressanter Personen, die der Wahnvorstellung unterliegen, sie hätten trotz ihrer intellektuellen Fragilität und ihrer egomorphen Moral eine Monopolstellung auf die Definition unseres Glücks – und wir sind verpflichtet, diese visuelle Tortur über Wochen zu erdulden und ihre gesamte Logistik zu finanzieren.
In Deutschland hat jeder Wahlberechtigte knapp 0,00000166 Prozent Einfluss auf das Ergebnis bundesweiter Abstimmungen, in Österreich immerhin 0,00001575 Prozent. Ob der Bundeskanzler Fritzi, Mitzi oder Franzi heißt, ist ohnehin weitgehend bedeutungslos, denn über Flüchtlingsquoten, Zinssätze und die Massenüberwachung der Bevölkerung entscheidet die EU-Kommission. Wer vor sich selbst noch immer die Illusion der Mitgestaltung in der Demokratie aufrechterhält, hat entweder freiwillig sein Gehirn zum Exponat für eine Ausstellung zum Thema Bio-Kitsch degradiert oder leidet an einem ernsten Defizit in der geistigen Prozessierung von Realitäten.

Ein machiavellistisches Meisterstück
Auch wenn die Demokratie kaum demokratisch ist, war sie den Eliten stets zu demokratisch. In Europa wurde mit der EU ein Bypass geschaffen: Nur die Mitglieder der EU-Kommission dürfen Gesetzesvorschläge einbringen. Diese 27 Personen werden nicht gewählt, sondern von den Regierungen der Mitgliedstaaten ernannt. Zumindest formal. In der Realität treffen diese Personalentscheidung jene Netzwerke, denen die Regierungsmitglieder ihre Karriere verdanken.

445 Millionen Menschen diskret durch 27 nicht gewählte Bürokraten politisch zu neutralisieren, ohne dass jeden Tag gegen dieses System demonstriert wird, ist ein einmaliges machiavellistisches Meisterstück. Damit das so bleibt, hat die EU Regelwerke geschaffen, die digitale Plattformen wie X verpflichten, streng gegen „Desinformation“ und „Hassrede“ vorzugehen. Sollte die EU-Kommission zu der Überzeugung kommen, dass X diese Regeln missachtet, könnte sie die Sperrung des Zugangs zu X in der gesamten EU anordnen. Was als Desinformation oder Hassrede gilt, liegt dabei in der Definitionshoheit der EU-Kommission. Hätte mein Social-Credit-Score nicht schon das Quantenlevel erreicht, auf dem negative Werte ein eigenes Leben führen, würde ich einwenden, dass die EU-Kommission selbst in der Verbreitung von Desinformation konkurrenzlos ist.

Der Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen in den 1990er-Jahren erwies sich für die korrupten Eliten Europas als willkommene Gelegenheit, die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung umzulenken. In Österreich gelang es Jörg Haider, die FPÖ als Interessenvertretung der „kleinen Leute“ gegen die Regierung zu positionieren. Seine verstörende Schwärmerei für die österreichische NS-Zeit begründete seinen Ruf als Rechtsextremist, zugleich trieb ihm seine Kritik an der Migrationspolitik und der jahrzehntelangen Dominanz von SPÖ und ÖVP immer mehr Wähler zu.



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In Österreich wird gewählt. Na und? Über Flüchtlingsquoten, Zinsen und Hassrede entscheidet die EU. Wie konnte es technokratischen Eliten gelingen, 445 Millionen Bürger zu neutralisieren, ohne dass jeden Tag dagegen demonstriert wird? Der Schlüssel liegt im Einsatz des Adjektivs „rechts“.
In Österreich und bald auch in den USA wird gewählt. Zwischen den beiden Wahlgängen liegen vier Wochen, ein Ozean und ein gewaltiger Unterschied in der Bedeutung ihrer Ergebnisse. Der institutionelle Rahmen dieser Ereignisse ist der gleiche: Demokratie.
Niemand weiß, wie wahre Demokratie aussieht, deshalb versteht darunter jeder etwas anderes. Sie ist traditionell Interpretationssache, und ihre Grenzen liegen innerhalb des Ermessensspielraums der lokalen Bevollmächtigten.
Die meiste Zeit bleibt sie symptomfrei. Im Grunde ist sie eine kollektive Halluzination, die sich alle paar Jahre in Form einer Porträtgalerie von Soziopathen im öffentlichen Raum manifestiert. An Steckbriefe erinnernde Wahlplakate zeigen zu absoluter geistiger Leere entschlossene Gesichter uninteressanter Personen, die der Wahnvorstellung unterliegen, sie hätten trotz ihrer intellektuellen Fragilität und ihrer egomorphen Moral eine Monopolstellung auf die Definition unseres Glücks – und wir sind verpflichtet, diese visuelle Tortur über Wochen zu erdulden und ihre gesamte Logistik zu finanzieren.
In Deutschland hat jeder Wahlberechtigte knapp 0,00000166 Prozent Einfluss auf das Ergebnis bundesweiter Abstimmungen, in Österreich immerhin 0,00001575 Prozent. Ob der Bundeskanzler Fritzi, Mitzi oder Franzi heißt, ist ohnehin weitgehend bedeutungslos, denn über Flüchtlingsquoten, Zinssätze und die Massenüberwachung der Bevölkerung entscheidet die EU-Kommission. Wer vor sich selbst noch immer die Illusion der Mitgestaltung in der Demokratie aufrechterhält, hat entweder freiwillig sein Gehirn zum Exponat für eine Ausstellung zum Thema Bio-Kitsch degradiert oder leidet an einem ernsten Defizit in der geistigen Prozessierung von Realitäten.

Ein machiavellistisches Meisterstück
Auch wenn die Demokratie kaum demokratisch ist, war sie den Eliten stets zu demokratisch. In Europa wurde mit der EU ein Bypass geschaffen: Nur die Mitglieder der EU-Kommission dürfen Gesetzesvorschläge einbringen. Diese 27 Personen werden nicht gewählt, sondern von den Regierungen der Mitgliedstaaten ernannt. Zumindest formal. In der Realität treffen diese Personalentscheidung jene Netzwerke, denen die Regierungsmitglieder ihre Karriere verdanken.

445 Millionen Menschen diskret durch 27 nicht gewählte Bürokraten politisch zu neutralisieren, ohne dass jeden Tag gegen dieses System demonstriert wird, ist ein einmaliges machiavellistisches Meisterstück. Damit das so bleibt, hat die EU Regelwerke geschaffen, die digitale Plattformen wie X verpflichten, streng gegen „Desinformation“ und „Hassrede“ vorzugehen. Sollte die EU-Kommission zu der Überzeugung kommen, dass X diese Regeln missachtet, könnte sie die Sperrung des Zugangs zu X in der gesamten EU anordnen. Was als Desinformation oder Hassrede gilt, liegt dabei in der Definitionshoheit der EU-Kommission. Hätte mein Social-Credit-Score nicht schon das Quantenlevel erreicht, auf dem negative Werte ein eigenes Leben führen, würde ich einwenden, dass die EU-Kommission selbst in der Verbreitung von Desinformation konkurrenzlos ist.

Der Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen in den 1990er-Jahren erwies sich für die korrupten Eliten Europas als willkommene Gelegenheit, die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung umzulenken. In Österreich gelang es Jörg Haider, die FPÖ als Interessenvertretung der „kleinen Leute“ gegen die Regierung zu positionieren. Seine verstörende Schwärmerei für die österreichische NS-Zeit begründete seinen Ruf als Rechtsextremist, zugleich trieb ihm seine Kritik an der Migrationspolitik und der jahrzehntelangen Dominanz von SPÖ und ÖVP immer mehr Wähler zu.

BY Freie Schleswiger




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Overall, extreme levels of fear in the market seems to have morphed into something more resembling concern. For example, the Cboe Volatility Index fell from its 2022 peak of 36, which it hit Monday, to around 30 on Friday, a sign of easing tensions. Meanwhile, while the price of WTI crude oil slipped from Sunday’s multiyear high $130 of barrel to $109 a pop. Markets have been expecting heavy restrictions on Russian oil, some of which the U.S. has already imposed, and that would reduce the global supply and bring about even more burdensome inflation. Following this, Sebi, in an order passed in January 2022, established that the administrators of a Telegram channel having a large subscriber base enticed the subscribers to act upon recommendations that were circulated by those administrators on the channel, leading to significant price and volume impact in various scrips. "The result is on this photo: fiery 'greetings' to the invaders," the Security Service of Ukraine wrote alongside a photo showing several military vehicles among plumes of black smoke. Asked about its stance on disinformation, Telegram spokesperson Remi Vaughn told AFP: "As noted by our CEO, the sheer volume of information being shared on channels makes it extremely difficult to verify, so it's important that users double-check what they read." But because group chats and the channel features are not end-to-end encrypted, Galperin said user privacy is potentially under threat.
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